Liquid Democracy: Chancen und Grenzen einer neuen Form der Bürgerbeteiligung

Peira präsentiert mit der Masterarbeit von Ingrid Kuhn eine zweite Analyse zum Iststand der flüssigen Demokratie.

Berlin, 03.09.2013: Die Anwendung des Konzeptes „Liquid Democracy“ ist im politischen Bereich erst ein paar Jahre alt. Der Idee der flüssigen Demokratie, die in enger Verbindung mit der Piratenpartei steht, wurde tatsächlich erst 2007 ein erster Antrag im Piratenwiki gewidmet - ein Jahr nach der Gründung der Partei in Deutschland. Darin wurden die Prinzipien und Ziele sowie die praktische Umsetzung der flüssigen Demokratie innerhalb der Piratenpartei Deutschlands dargelegt.

Die Entstehung eines neuen demokratischen Konzeptes wie Liquid Democracy ist eine von vielen Antworten auf eine Praxis der Demokratie, die als reformbedürftig betrachtet wird. Die Konzepte, die die Krise der etablierten Demokratie oder die Krise des repräsentativen Regierungssystems untersuchen, sind vielfältig und betrachten die letztere unter verschiedenen Gesichtspunkten. Die bestehenden Theorien, auch wenn sie unterschiedliche Begriffe und Terminologien verwenden, unterschiedliche Aspekte des politischen Systems und der gesellschaftlichen Änderungen in den Vordergrund stellen oder auf eine andere Schlussfolgerung kommen, sind sich bemerkenswerterweise alle darin einig, dass die Demokratie in einer Transition, einer Umbruchsphase steht. Der Akzent kann auf die Symptome der aktuellen Phase der Demokratie oder auf die zu erwartende neue Phase gelegt werden – sei diese neue Phase eine vielversprechende optimistische Phase für eine Reformierung der Demokratie oder vielmehr eine Phase, die eine Rückkehr zu vordemokratischen Zeiten vorsieht.

Jedoch sind nicht nur die bestehenden Theorien, die unterschiedliche Diagnosen für die Aufarbeitung der Krise der repräsentativen Demokratie liefern, einem konzeptuellen Chaos ausgesetzt, sondern auch die Theorien der aktuellen Demokratisierungswelle. Bei den Versuchen, die Krise der Demokratie zu erklären, herrscht weder über ihren Namen, noch über die Perspektive der Analyse Übereinstimmung. Außerdem trägt das gebetsmühlenartige Wort „Politikverdrossenheit“ zu einer Verschärfung der bestehenden begrifflichen Verworrenheit bei, da trotz seiner Allgegenwart in den existierenden Theorien keine einstimmige Auslegung dieses Begriffes existiert. Zu guter Letzt kann jedoch eine Heterogenität in Bezug auf den Namen dieser Demokratisierungstheorien(Interaktive Demokratie, Elektronische Demokratie, Direkter Parlamentarismus, Flüssige Demokratie, ...) festgestellt werden, während in Bezug auf die Grundzüge und angestrebten Ziele dieser Reformen eher eine Homogenität herrscht.

Fünf Jahre seit dem ersten Eintrag über Liquid Democracy im Piratenwiki und drei Jahre seit der Einführung der Online-Plattform Liquidfeedback innerhalb der Piratenpartei Deutschlands hat bislang lediglich ein Autor, nämlich der Pirat Sebastian Jabbusch, versucht, die flüssige Demokratie sowie ihre praktische Umsetzung ausführlich zu erklären. Die Online-Plattform dient als praktisches innerparteiliches Tool des Meinungsbildungsprozess nach den Prinzipien von Liquid Democracy. Nun gibt es durch die von Ingrid Kuhn erstellte Masterarbeit "Liquid Democracy: Chancen und Grenzen einer neuen Form der Bürgerbeteiligung" eine zweite Analyse zum Iststand der flüssigen Demokratie.

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Umsetzung von Liquid Democracy mit dem Werkzeug Liquidfeedback in der Piratenpartei. Insbesondere geht die Verfasserin sehr ausführlich auf das Problem der so genannten „Superdelegierten“ ein, also derjenigen, die besonders viele Delegationen/Stimmen auf sich vereinigen, zum Teil aufgrund von Delegationsketten, was Kritikern nicht basisdemokratisch genug ist. Ingrid Kuhn kann zeigen, dass die so genannte transitive Delegation begrifflich untrennbar zum Konzept der Liquid Democracy gehört. Außerdem wird ein positiver Effekt der transitiven Delegation besonders deutlich, der in der Literatur oft unerwähnt bleibt: Delegationen wirken motivierend auf Delegationsempfänger, die sich dadurch veranlasst sehen, sich mit Anträgen intensiv und verantwortungsvoll auseinanderzusetzen.

Download der von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) im Fach Politikwissenschaft angenommenen Master-Arbeit Arbeit von Ingrid Kuhn hier: http://peira.org/liquid-democracy-chancen-und-grenzen-einer-neuen-form-d...

Kontakt:
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