Buch: Helmut Zschocke, Im alten Berliner Studentenviertel, Peter Lang, Frankfurt/M 2012, 193 S. ISBN 978-3-631-60606-3, 19,80 €

Nicht nur typische deutsche Universitätsstädte wie Heidelberg oder Bonn hatten ihr Studentenviertel. Was weithin unbekannt ist: Auch in der Weltstadt Berlin konzentrierte sich bis zum Zweiten Weltkrieg ein beachtliches Kontingent von "Studentenbuden" um einen bestimmten Ort: dem Oranienburger Tor am Nordende der Friedrichstraße. Die Gegend bot mehrer Vorteile, darunter die Nähe zu den Lehrstätten (zu denjenigen der Universität, aber auch zur Tierärzlichen, zur Landwirtschaftlichen sowie zur Handels-Hochschule). Ein weiterer Vorzug: Das vielfältige kulturelle und Freizeitangebot, das von Theatern unterschiedlichster Couleur bis zu den hier konzentrierten "Tingel-Tangel" - Varietés, den (teils verrufenen) Ballsälen und den vielen Studentenkneipen reichte. Auch die zahllosen akademischen Korporationen, Burschenschaften und sonstigen Verbindungen hatten fast ausnahmslos hier ihren Sitz. Das o.g. Buch behandelt darüber hinaus ausführlich die soziale Situation der Studierenden sowie das nach dem Ersten Weltkrieg beginnende Wirken des Studentenwerks. Sehr unterhaltsam ist das Kapitel über die Beziehungen zu den Vermieterinnen.
In diesem Viertel fand sich alles, was ein Studierender benötigte, von den Antiquariaten bis zu den eigennützigen Ratgebern für die zeitweilige Beseitigunhg der ewigen Geldnot oder auch für den Umgamg mit Geschlechtskrankheiten.
Eingegangen wird auch auf späterhin Prominente, die hier als Untermieter ihre Karriere begannen. Theodor Heuss, Heinrich Mann, Erich Kästner und andere beschreiben überdies, wie sie das Berliner Studentenviertel erlebt haben. Der Einschnitt des Zweiten Weltkrieges bedeutete auch für das Berliner "Quartier latin" das Ende.
Fast alles in diesem Buch dreht sich um das Leben außerhalb der Universität. Ein Kapitel zeigt indes, wie es innerhalb der Lehrstätte zuging, von der Immatrikulation, den Eigenheiten der Professoren, dem mehr oder minder ausgeprägten Lerneifer der Studierenden, den Zuständen in der Bibliothek bzw. im Selektionsraum bis zu den feuchtfröhlichen Universitätsfeiern.