Unheilvolle Siedlungspolitik

Wie der Nahost-Friedensprozess zu Grabe getragen wird

Die israelische Armee hat Anordnungen erlassen, die Tausende Palästinenser im Westjordanland zu „Eindringlingen“ erklärt, die deportiert und strafrechtlich verfolgt werden können. Von den bereits in Kraft getretenen Vorschriften sind quasi alle Palästinenser betroffen, die keine ausdrückliche Genehmigung vorweisen können. Die Umsetzung der Anordnungen soll alsbald erfolgen. Ein Schlag für jedweden Friedensgedanken.

Denn: Alle Pläne zur friedlichen Lösung des Nahost-Konflikts basieren auf dem Konzept einer Zweistaaten-Lösung, also eines künftig eigenständigen Palästinenserstaates neben Israel. Obwohl die israelische Regierung das Ziel der Zweistaaten-Lösung offiziell anerkennt, tut sie alles, dies in der Praxis zu hintertreiben und langfristig gänzlich unmöglich zu machen.

BRUCH DES VÖLKERRECHTS

Während die Palästinenser im Einklang mit dem Völkerrecht davon ausgehen, dass ihr künftiger Staat auf dem Territorium der 1967 von Israel besetzten Gebiete errichtet werden wird, das heißt das Westjordanland, Ostjerusalem und den Gaza-Streifen umfasst, schafft Israel durch seine extrem aggressiv betriebene Siedlungspolitik praktisch täglich neue Tatsachen. unter Bruch des Völkerrechts, das die Annexion besetzter Gebiete und die Ausbeutung von deren Ressourcen verbietet, und in Missachtung zahlreicher Beschlüsse der UNO werden in atemberaubendem Tempo den Palästinensern ständig weiteres Land und Ressourcen wie Wasser und Bodenschätze entzogen.

In Palästina wohnten ursprünglich 95 Prozent Palästinenser und nur 5 Prozent Juden. Dennoch erhielten Juden gemäß dem UNO-Teilungsplan von 1947 satte 78 Prozent des Landes zugesprochen, Palästinenser nur 22 Prozent. Doch das reicht der israelischen Regierung nicht. Sie hält sich nicht an den UNO-Teilungsplan und an die UNO-Resolution von 1967. Siedlungen wurden und werden gezielt zwischen arabische Ortschaften gepflanzt, um einen Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten unmöglich zu machen.

Spätestens 1993 wurde es offensichtlich, dass von einem künftigen Palästinenserstaat nicht viel Land übrig bliebe, wenn die israelische Bautätigkeit in den besetzten Gebieten ungebremst voranschreiten würde. Das war der Anstoß für die Osloer Verträge, die den Palästinensern eine beschränkte Selbstverwaltung in den arabischen Städten bescherten. Doch das bremste die israelischen Siedlungsaktivitäten nicht. Im Gegenteil!

Nach palästinensischen Angaben sind im Westjordanland seit Herbst 2000 mehr als eine halbe Million Olivenbäume zerstört worden, um die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Palästinenser zu vernichten. Dort wo es grünt, können die Israelis das Wasser nutzen. Die israelische Verwaltung kontrolliert inzwischen fast das gesamte Grundwasseraufkommen im Westjordanland, den als Trinkwasserspeicher genutzten See Genezareth ebenso wie den Jordan und seine Zuflüsse. Obendrein haben die Palästinenser für das kostbare Nass deutlich mehr als die Siedler zu zahlen.

Die israelischen Siedlungsaktivitäten beschränken sich fatalerweise nicht nur auf das Westjordanland, sondern erstrecken sich auch auf Ostjerusalem, der geplanten Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates. unter Bruch aller Regeln des Völkerrechts (Verbot der Annexion besetzter Gebiete, Bestimmung des UNO-Teilungsplans von 1947, wonach Jerusalem unter UNO-Verwaltung stehen solle) hat Israel Ostjerusalem offiziell annektiert, das heißt seinem Staatsgebiet formell einverleibt. Ein palästinensischer Staat ohne Ostjerusalem als Hauptstadt ist aber praktisch nicht vorstellbar.

In einem kürzlich erstellten Bericht des Delegationsbüros der Europäischen Kommission für Gaza ist festgehalten, dass bereits dreißig (!) Prozent von Ostjerusalem seit der israelischen Besetzung 1967 de facto enteignet worden sind. In dem internen Bericht der Europäischen Kommission werden die Menschenrechtsverletzungen, bürokratischen Schikanen, Hauszerstörungen und Umsiedlungen palästinensischer Bewohner durch israelische Besatzer in Ostjerusalem systematisch aufgelistet.

FORDERUNGEN OHNE WERT

Inzwischen haben auch die USA erkannt, dass jegliche Friedensbemühungen zum Scheitern verurteilt sind, wenn die israelische Siedlungspolitik nicht gebremst wird. Präsident Obama verkündete dementsprechend bereits vor Jahresfrist: „Die Vereinigten Staaten akzeptieren nicht die Legitimität fortgesetzter israelischer Siedlungen. Diese Konstruktion verletzt frühere Abkommen und untergräbt Friedensbemühungen. Es ist Zeit, diese Siedlungen zu stoppen.“ Doch diese Aufforderung verhallte ebenso ungehört wie entsprechende Appelle etwa der Eu oder von UNO-Generalsekretär Ban.

KEIN FRIEDEN OHNE BESATZUNGENDE

Nicht nur die Staatengemeinschaft, auch mehrere israelische Menschenrechtsorganisationen kritisieren inzwischen die unbeugsame Haltung ihrer Regierung. Die frühere Jerusalemer Rechtsanwältin Felicia Langer beispielsweise äußerte sich kürzlich auf einem Vortrag in Deutschland sehr kritisch zur Politik der israelischen Staatsführung. Fakt sei, dass die UNO-Deklaration 242 festgelegt habe, dass Landerwerb durch Kriege unzulässig sei. Dies werde aber durch die Siedlungspolitik im Westjordanland ignoriert, durch die mittlerweile mehr als 450.000 Menschen in diesen Gebieten angesiedelt worden seien, und durch den Aufbau eines eigenen Straßennetzes, das die Palästinenser nicht benutzen dürfen. Durch diese Entwicklung sei in diesem Gebiet ein rassistischer Apartheidstaat entstanden, der das Leben der Palästinenser, deren Land in 600 Einzelteile zerstückelt wurde, unerträglich mache. Das eindeutige Ziel aller bisherigen israelischen Regierungen sei die Annexion von Land gewesen. Eine Lösung des Konfliktes könne es nur geben, wenn die Weltgemeinschaft auf Israel mehr Druck ausübe und die Regierung zwinge, endlich die Beschlüsse umzusetzen. Es werde keinen Frieden geben, wenn die Besatzung nicht beendet werde.

Im Sinne des von Frau Langer und diversen israelischen Menschenrechtsorganisationen geforderten internationalen Drucks auf die israelische Regierung erscheint eine Petition beachtlich, die kürzlich an den Bundesrat in der Schweiz herangetragen wurde. Darin wird gefordert, dass sich die Schweiz als Mitglied der OECD der für Sommer 2010 geplanten Aufnahme Israels in die OECD solange widersetzt, bis Israel die OECD-Aufnahmekriterien erfüllt.

UNKALKULIERBARE FOLGEN

Diese Petition wird von zahlreichen bedeutenden Persönlichkeiten der Schweiz unterstützt, darunter eine Vielzahl von Professoren, Wissenschaftlern, Juristen, Politikern, Pfarrern, Ärzten, Lehrern etc. Es wäre erfreulich, wenn auch in der Bundesrepublik und Österreich die Bevölkerung einen nachhaltigen Druck auf die Regierung aufbauen würde, das fortgesetzte menschen- und völkerrechtsverletzende Vorgehen Israels nicht länger zu tolerieren.

Der Nahostkonflikt ist der gefährlichste Spannungsherd der Welt. Der unselige Afghanistan-Krieg, in den sich Deutschland hat hineinziehen lassen, ist eine direkte Folge der ungelösten Probleme im Nahen Osten. Nun droht in Bezug auf Iran sogar ein noch ungleich größerer und folgenschwerer Krieg, der sich bis zum Atom- und Weltkrieg auswachsen könnte. Was die israelische Regierung mit der Siedlungspolitik tut, bedeutet ein weltfriedensgefährdendes Zündeln am größten Brandherd auf der Erde.

Dr. Petersen


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