Deutsche feiern Erntedank und bitten dabei kaum zu Tisch.
Pressetext verfasst von Gilda am Mo, 2012-10-08 11:48.Das Leben in Deutschland ist nur etwas teurer (3,4%) als im Durchschnitt der weiteren 27 Staaten der Europäischen Union. Jedoch ist die Beziehung der Deutschen zu ihrem Essen so widersprüchlich wie nie zuvor. Einerseits zelebriert der deutsche Konsument den Kauf von Bioprodukten, andererseits werden jährlich ca. 11 Mio. Tonnen noch genießbarer Lebensmittel achtlos auf den Müll geworfen, einfach so, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten wurde. Dabei würde sich ein kritischer Blick an anderer Stelle lohnen, nämlich bei den Inhaltsstoffen. Jede Produktverpackung kennzeichnet das, was in dem Essen steckt. Doch kaum ein Konsument weiß, wo unser Essen herkommt und schlimmer noch, was drin ist. Manchmal wollen wir es auch gar nicht wissen. Ein gutes Gewissen erhalten wir schnell beim Kauf von Bioprodukten. Am liebsten Produkte mit dem deutschen Sechseck-Gütesiegel, dem Label mit dem die Lebensmittelindustrie versucht ein hohes Glaubwürdigkeitsgefühl mit wenigen Cent-Aufpreisen zu bieten. Und kaum jemand weiß, dass die große Industrie damit nur den Zeitgeist der Konsumenten bedient. Denn auch dieses Siegel gibt kaum Aufschluss darüber, wie gut die Qualität der Ware tatsächlich ist.
In Deutschland klebt das Siegel auf rund 65.000 Produkten. Es klebt auf der Tiefkühlpizza, auf Fertigsoßen und Tütensuppen genauso wie auf frischer Vollmilch, die ein wochenlanges Mindesthaltbarkeitsdatum trägt. Insgesamt alles hochverarbeitete Ware, im Chemielabor perfektioniert, mit Geschmacksverstärkern und Haltbarmachern produziert. Pure Natur ist also bei Bio eine Illusion, der wir uns dennoch gerne hingeben.
Wir lesen über fair gehandelte Ware, über die glückliche Kuh auf der Weide ebenso wie über qualvoll gehaltene Tiere in Massenzuchtanlagen und können als Konsument meist nicht wirklich nachvollziehen, wie schadstoffarm, wie nützlich(von gesund sprechen wir einmal nicht), die Ware tatsächlich ist. Für Lebensmittelkonzerne wird der Konsument immer gläserner und berechenbarer, nicht zuletzt aufgrund der Sammelleidenschaft von Punkten über Kundenkarten. Doch das, was der Konsument isst, ist lange nicht gläsern.
Sicher, die Hersteller sind dazu übergegangen statt der viel kritisierten E-Stoffe die Namen der Zusatzstoffe anzugeben. Doch kann der normale Verbraucher dieses entschlüsseln? Es gibt 320 von Verbraucherschützern kritisierte und als bedenklich eingestufte Zusätze aus dem Lebensmittellabor in der deutschen Gesetzgebung. 50 Stoffe werden auch für die Herstellung von Bioprodukten verwendet.Eines davon ist das „natürliche Aroma“. Diese sind vor allem in Joghurt und Tee auch in Bioprodukten enthalten, denn schließlich soll auch ökologisch hergestellte Ware appetitlich aussehen, eine bestimmte Zeit haltbar sein und gut schmecken.
Ein Bluff, der der Industrie zu Gute kommt, während der Verbraucher unbesehen bereit ist, mehr zu zahlen. Und das obwohl der deutsche Verbraucher am meisten Geld beim Kauf von Lebensmitteln einspart. Gaben die Deutschen 1960 noch 38% ihres Einkommens für Lebensmittel aus, so sind es heute noch 14,2%. Aber es ist falsch, der Lebensmittelindustrie allein die Schuld anzulasten, diese bedient lediglich die Nachfrage der Deutschen. Schließlich haben die Deutschen an fünf von sieben Wochentagen keine Zeit zum Kochen.
Stattdessen greift der deutsche Verbraucher lieber zu Fertiggerichten oder Fast Food, die es eben nicht ohne Zusatzstoffe gibt. Ganz anders als die Franzosen, die EU-weit immer noch den höchsten Anteil des Bruttoeinkommens für Essen ausgeben und dabei eine Qualität wünschen, die selbst anspruchsvolle Deutsche nicht kaufen würden. Denn hier gilt quasi nur ein Kaufkriterium: Essen muss billig sein.
Und dennoch wird hierüber am meisten debattiert. Mit Leidenschaft wird über das Essen philosophiert. Experten fordern Ernährungsampeln die zu viel Fett oder Zucker ausweisen, die vor eiweißarmer Kost warnen oder den tatsächlichen Nutzen von Vollkorn fokussieren. Biogegner räumen leidenschaftlich mit dem Missverständnis auf, dass Bioware vitaminreicher sei, nein sie ist nicht gesünder, sondern nur frei von Pestiziden, von den Dioxin-Eiern einmal abgesehen. Ein Skandal ja, jedoch andere bewusst beigemischte „Zutaten“, die im Zweifel bedenklicher sind, wollen wir nicht sehen.
Im schlimmsten Fall lösen manche Inhaltsstoffe, die wir vertrauensvoll und vielleicht auch unwissend mitessen Krankheiten aus, die vermieden werden könnten. Nitritpökelsalz in einer Salami oder Leberwurst macht mich nicht krank, oder? Sicher, die Reallohnentwicklung in Deutschland zwingt den Verbraucher zu sparen, aber warum ausgerechnet beim Essen? Was tun wir mit dem Ersparten? Offenbar ist das Bedürfnis und dem statistisch relevanten Bedarf nach mehr Kommunikation seit 2007 doppelt so groß. Fast 80% der deutschen sind Online Platz 9 nimmt Deutschland ein bei der PKW-Anzahl je HH im Weltvergleich! (574 PKW je 1000 Einwohner)
Beim Krankenstand mit rund 13 Fehltagen pro gesetzlich krankenversicherten Deutschen erreichen wir unlängst den höchsten Krankenstand seit 15 Jahren und damit gibt es europaweit die meisten Krankmeldungen in Deutschland. Argumentiert wird hier gern mit der Überalterung der Gesellschaft, diskutiert über gesundes Essen wird selten. Es muss ein Weg gefunden werden, all‘ dieses zu ändern. Nicht jeder wird beim Bauern in der Region Lebensmittel kaufen können, daher ist der Weg die Gütequalität von Bio zu verbessern zumindest eine Hilfe. Gottes Gaben auf dem Altar zum Erntedank werden nie in jeder Küche landen können, doch muss ein Weg gefunden werden, Lebensmittel und Ernährung wieder wichtiger werden zu lassen – bei jedem von uns. Eine Aufgabe, die sowohl Politik und Gesellschaft, Bildungseinrichtungen und Industrie, vor allem aber der einzelne Verbraucher anzugehen hat.
Quellen: www.stern.de, 25.6.2012/ www.focus.de, 13.3.2012/ HAZ, Erntedank, 6.10.2012
Quellen: www.ugb.de/ Statistisches Bundesamt/„So is(s)t Deutschland“, Nestlé Verzehrstudie 2011
Quellen: (N)Onliner Atlas 2012/ Welt in Zahlen 2011/ Süddeutsche Zeitung, 14.2.2012