Politik im Antisemitismus- und Erinnerungsdiskurs

Es war die aus Wien stammende Psychoanalytikerin Else Frenkel-Brunswik – Theodor W. Adorno arbeitete mit ihr zusammen –, die sich kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den USA mit der Fähigkeit, Ambivalenzen ertragen zu können, auseinandersetzte. Aus entwicklungspsychologischer Perspektive stellte sie fest, »dass manche Individuen eher dazu befähigt sind, positive und negative Eigenschaften ihrer Eltern zu sehen und Gefühle von Liebe und Hass ein und derselben Person gegenüber ohne allzu große Angst oder Konflikte zu akzeptieren, während andere das Bild der Eltern entweder als ganz und gar gut oder schlecht dramatisierten«.

Deutsche, Linke und der Nahostkonflikt
Politik im Antisemitismus- und Erinnerungsdiskurs
Peter Ullrich
Wallstein Verlag

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Diese kindliche Haltung stellt sich moralpsychologisch als Privileg der Jugend dar: Jugendliche dürfen und sollen – zumindest in modernen Gesellschaften – Eindeutigkeit und Entschiedenheit sowohl fordern als auch an den Tag legen: Erst die Konfrontation starker, eindeutiger Haltungen mit der meist komplexen Wirklichkeit kann schließlich zu Standpunkten führen, die der Realität, auch den moralischen Realitäten, gerecht werden. Für den Bereich weltanschaulicher Differenzen hat die von Frenkel-Brunswik untersuchte Haltung mangelnden Ertragens von Ambivalenzen ihren prägnantesten Ausdruck in Carl Schmitts 1927 erstmals publizierter Schrift »Der Begriff des Politischen« gefunden, in der dieser begabte, korrupte und zugleich zutiefst antisemitische Autor die unversöhnliche Beziehung zwischen »Freund« und »Feind« als Grundkonstellation aller Politik zu bestimmen suchte.


Über Erhard Coch

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Erhard Coch ist Autor verschiedener Bücher und Essays.