Mehr arbeiten? In der Gastronomie geht nichts mehr!

Wochenarbeitszeit erhöhen? Für die Gastronomie wäre das eine Katastrophe

Der Bundeskanzler fordert mehr Arbeitsstunden – was bedeutet das für die Branche?

Bundeskanzler Friedrich Merz fordert eine längere Wochenarbeitszeit für deutsche Beschäftigte. Der Aufruf: Mehr arbeiten, länger arbeiten, produktiver arbeiten. Doch was in der Industrie oder im Homeoffice diskutiert werden kann, trifft in der Gastronomie auf eine andere Realität. Dort ist die Wochenarbeitszeit (gem. Arbeitszeitgesetz) längst ausgereizt. In Küchen, im Service, an der Rezeption. Die Belastung ist bereits hoch. Eine zusätzliche Ausweitung der Arbeitszeit dürfte die Krise verschärfen und den Fachkräftemangel weiter verschärfen.

Entwicklung der Wochenarbeitszeit in Deutschland: Stagnation trotz Fortschritt

Ein Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt stabil zwischen 39 und 40,5 Stunden. Laut Statistischem Bundesamt lag sie 2019 bei 40,4 Stunden, sank 2020 pandemiebedingt auf 39,8 Stunden. Sie pendelte sich zuletzt bei über 40 Stunden ein. In manchen Branchen, vor allem im Dienstleistungsbereich, ist die Arbeitszeit leicht gesunken, bei gleichzeitig steigender Produktivität. Grund: Automatisierung, Produktivitätssteigerung, Digitalisierung und effizientere Abläufe. Kurz: Mit weniger Zeit wird oft mehr erreicht. Nur in der Gastronomie gilt diese Formel nicht.

Die Gastronomie: Überstunden statt Automatisierung

Gastronomiebetriebe sind in der Lage, Abläufe zu verbessern. Eine komplette Automatisierung in dieser Dienstleistungsbranche nicht möglich. Gäste möchten bedient werden, gereinigte Zimmer vorfinden und frisch gekochte Speisen genießen. Ohne menschliche Arbeit geht nichts. Gleichzeitig fehlen Arbeitskräfte. Die Personalnot führt zu Mehrbelastung der vorhandenen Mitarbeitenden. Überstunden sind der Alltag und nicht die Ausnahme. Selbst an Ruhetagen wird vorbereitet, geplant, eingekauft. Die gesetzlich erlaubte Höchstarbeitszeit (gem. Arbeitszeitgesetz) von 48 Stunden pro Woche wird regelmäßig überschritten. Stillschweigend, weil der Betrieb sonst nicht läuft.

Arbeitszeitgesetz: Recht und Realität klaffen in der Gastronomie auseinander

In Deutschland erlaubt das Arbeitszeitgesetz maximal 48 Stunden pro Woche, verteilt auf sechs Tage. Die Regelarbeitszeit liegt meist bei 40 Stunden. In der Gastronomie gilt: das Arbeitszeitgesetz erlaubt zehn Stunden Arbeit täglich, wenn im Schnitt von sechs Monaten die Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht übersteigt. In der Praxis wird dies kaum kontrolliert. Mehrarbeit bei Bedarf, Feiertagen, Events, und im Saisongeschäft sind die Regel. Die Gastronomie kennt wenig Pausen. Mitarbeiter springen ein, wenn Kollegen krank sind. Urlaube werden verschoben. Die Belastungsgrenze wird zur Gewohnheit.

Fachkräftemangel durch strukturelle Überlastung

Der Beruf verliert an Attraktivität. Früher war Gastronomie ein Ort der Leidenschaft. Heute bedeutet sie Dauerstress, lange Schichten, keine Planbarkeit, kaum Freizeit. Fachkräfte wechseln in andere Branchen. Neueinsteiger fehlen. Auszubildende weisen eine hohe Abbruchquote auf. Die Ausbildungszahlen sinken, viele Stellen bleiben unbesetzt. Der Fachkräftemangel ist kein Zufall, sondern die direkte Folge schlechter Rahmenbedingungen. Die Forderung nach mehr Arbeitsstunden verschärft dieses Problem.

Mehr Wochenarbeitszeit? Weniger Leistung, mehr Ausstieg

Zahlreiche Studien zeigen: Mehr Arbeitszeit bedeutet nicht automatisch mehr Produktivität. Im Gegenteil. Überarbeitung führt zu Fehlern, Erschöpfung, innerer Kündigung. Wer müde ist, arbeitet unkonzentriert. Die Folge: unzufriedene Gäste, Reklamationen und ein schlechter Ruf. Mitarbeitende, die dauerhaft über ihre Grenzen hinausgehen, kündigen früher oder werden krank. Die Gastronomie kann sich keine weitere Schwächung leisten. Sie braucht Entlastung, nicht zusätzlichen Druck.

Digitalisierung entlastet, ersetzt aber nicht

Natürlich profitiert die Gastronomie von der Digitalisierung. Self-Ordering-Systeme, digitale Tischreservierungen, automatisierte Bestellprozesse – das alles spart Zeit. Doch Digitalisierung ersetzt die menschliche Arbeit nicht. Die persönliche Begrüßung, der freundliche Service, das frisch zubereitete Menü sind die Säulen der guten Gastronomie. Die Automatisierung entlastet punktuell, jedoch nicht flächendeckend.

Flexible Modelle als Ausweg aus der Krise

Die Lösung liegt nicht in mehr, sondern in besser geplanter Arbeit. Flexible Schichtsysteme, eine gerechte Dienstplanung, transparente Kommunikation – das sind Stellschrauben für ein besseres Arbeitsumfeld. Auch neue Modelle wie die Vier-Tage-Woche können Entlastung bringen. Erste Pilotprojekte zeigen: Weniger Tage bei strukturiertem Einsatz führen zu zufriedeneren Teams und besserem Service mehr Motivation, weniger Ausfallzeiten und höhere Loyalität.

Was Fachkräfte heute erwarten

Die Ansprüche an Arbeit haben sich verändert. Vor allem junge Menschen erwarten klare Grenzen zwischen Job und Freizeit. Sie suchen Sinn, Wertschätzung und Entwicklung. Work-Life-Balance ist kein Modebegriff mehr, sondern Voraussetzung. Die Generation Z entscheidet sich nicht für eine Branche, die nur fordert. Wer Talente gewinnen will, muss zuhören. Gute Bezahlung reicht nicht. Es braucht Arbeitsmodelle, die Menschen langfristig halten und keine Überforderung.

Branchenverbände schlagen Alarm

Der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA, die Gewerkschaft NGG und zahlreiche Landesverbände äußern sich kritisch. Eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit wäre ein Rückschritt. Bereits jetzt sind viele Betriebe am Anschlag und leiden unter dem Fachkräftemangel. In der Gastronomie fehlen über 60.000 Fachkräfte. Zusätzlicher Druck dürfte eine Welle an Kündigungen auslösen. Gerade kleine und familiengeführte Betriebe hätten keine Chance mehr, den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Politik muss realitätsnah handeln

Gesetzgeber und Regierung dürfen nicht an der Lebensrealität vorbeiplanen. Was auf dem Papier sinnvoll klingt, zerstört in der Praxis Existenzen. Eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit ignoriert die strukturellen Probleme der Branche. Was gebraucht wird sind Investitionen in Ausbildung, bessere Arbeitsbedingungen  eine gezielte Digitalisierung und die Förderung familienfreundlicher Arbeitsmodelle. Nur auf diese Weise lässt sich der Fachkräftemangel wirksam bekämpfen.

Längere Arbeitszeiten lösen keine Probleme – sie schaffen neue

Die Gastronomie braucht keine weiteren Belastungen. Sie braucht Entlastung, Anerkennung und politische Unterstützung. Eine generelle Ausweitung der Wochenarbeitszeit verschärft bestehende Probleme und löst sie nicht. Fachkräfte bleiben, wenn sie gerne arbeiten. Nicht, wenn sie müssen. Die Branche kämpft um ihre Zukunft. Wer sie retten will, setzt auf Qualität, nicht auf Quantität.

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