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Pressetext verfasst von hogacareers am Do, 2025-05-29 17:50.Weinfeste, Genuss und Gastronomietrends: Der deutsche Wein zwischen Tradition und Herausforderungen
Ab Mai beginnt in Deutschland die Hochsaison der Weinfeste. Besonders in der Pfalz locken zahlreiche Veranstaltungen Genießerinnen und Genießer in die Weinregionen. Der Veranstaltungskalender auf pfalz.de/de/pfalz-geniessen/pfaelzer-weinfeste/weinfestkalender#/veranstaltungen gibt einen umfassenden Überblick: Das „Weinfest der Südlichen Weinstraße“ in Landau, die „Deidesheimer Weinkerwe“ oder das legendäre „Dürkheimer Wurstmarkt“ gehören zu den Höhepunkten. Diese Feste sind touristische Publikumsmagneten und zeigen, wie tief verwurzelt der Wein in der deutschen Genusskultur ist.
Weinerzeugung in Deutschland 2024 deutlich rückläufig
Die Weinproduktion in Deutschland ist im Jahr 2024 spürbar zurückgegangen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) stellten deutsche Winzerinnen und Winzer insgesamt 7,75 Millionen Hektoliter Wein und Most her. Das entspricht einem Minus von 841.800 Hektolitern bzw. 9,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch im langfristigen Vergleich zeigt sich der Rückgang deutlich: Gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2023 lag die Erntemenge 2024 um rund 1,06 Millionen Hektoliter oder 12 Prozent niedriger. Damit gehört das Erntejahr 2024 zu den schwächsten der letzten anderthalb Jahrzehnte.
Nur zwei Mal seit 2010 wurde noch weniger Wein produziert – im Jahr 2010 mit 6,91 Millionen Hektolitern sowie 2017 mit 7,46 Millionen Hektolitern. Die Entwicklung unterstreicht die Herausforderungen, mit denen die Weinbranche konfrontiert ist, etwa durch Wetterextreme, Klimawandel oder Ertragsschwankungen in einzelnen Anbaugebieten.
Deutsche Weinproduktion: Qualität, Klima und neue Sorten
Deutschland gehört zu den Top-Weinbauländern Europas. Mit rund 100.000 Hektar Rebfläche und durchschnittlich 8 bis 9 Millionen Hektolitern Ertrag pro Jahr setzt der Weinbau auf Qualität statt Masse. Die wichtigsten Anbaugebiete – Rheinhessen, Pfalz, Baden, Mosel und Franken – stehen für Vielfalt und Spitzenqualität. Besonders der Riesling genießt international hohes Ansehen. Gleichzeitig machen sich der Klimawandel und neue Verbraucherwünsche bemerkbar: Winzer reagieren mit pilzresistenten Rebsorten, ökologischen Anbaumethoden und Experimenten mit Orange- oder Naturweinen.
Weinkonsum im Wandel: Gastronomie unter Druck
Trotz dieser Innovationskraft ist der Weinkonsum in Deutschland rückläufig. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch sank laut Deutschem Weininstitut (DWI) von rund 21 Litern im Jahr 2019 auf ca. 18 Liter im Jahr 2024. Besonders in der Gastronomie macht sich dieser Trend bemerkbar: Gäste greifen seltener zur Weinflasche, bevorzugen alkoholfreie Getränke oder konsumieren bewusster und seltener. Für Restaurants, die traditionell auf den Weinverkauf als Umsatzstütze bauen, bedeutet das spürbare Einnahmeverluste, da gleichzeitig die Wareneinsätze, Energiepreise und Löhne steigen.
Wein als Renditetreiber in der Gastronomie
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kommt dem Wein eine besondere Rolle zu. Als Genussmittel und betriebswirtschaftlicher Faktor. Denn Wein gehört zu den margenstärksten Produkten in der Gastronomie. Während Speisen durchschnittlich mit einer Bruttomarge von 60 bis 70 Prozent kalkuliert werden, sind Weinaufschläge von 200 bis 300 Prozent keine Seltenheit. Ein Wein, der im Einkauf 5 Euro kostet, wird zu der Weinkarte zu 20 Euro angeboten. Das entspricht einer Bruttomarge von 75 Prozent, bei minimalem Wareneinsatz und kaum zusätzlichem Personalaufwand.
Doch nicht nur die Bruttomarge zählt. Entscheidend ist die Nettorendite, also der Gewinn, nach Abzug aller Kosten. Bei Speisen fallen neben den Lebensmitteln hohe Lohnkosten für Zubereitung und Service, Energie, Abfall und Lagerung an. Die tatsächliche Nettorendite liegt in der Regel zwischen 5 und 10 Prozent des Verkaufspreises. Bei einem Gericht für 20 Euro bleibt dem Wirt netto oft nur ein Nettogewinn von 1 bis 2 Euro.
Wein vs. Mahlzeit: Wo Gastronomen wirklich verdienen
Anders beim Wein: Die Flasche wird geöffnet, eingeschenkt und serviert, ohne aufwendige Küche, lange Vorbereitungszeit oder hohen Personaleinsatz. Der Wareneinsatz ist kalkulierbar, der Lageraufwand überschaubar. Die Nettorendite liegt, abhängig von der Betriebsstruktur, mindestens 20 bis 25 Prozent. Besonders rentabel ist der Ausschank offener Weine: Hier wird eine Flasche auf mehrere Gläser verteilt. Auf diese Weise steigert sich der Nettogewinn pro Flasche. Beispiel: Aus einer 0,75-Liter-Flasche entstehen fünf 0,15-Liter-Gläser à 6 Euro, also 30 Euro Umsatz bei 5 Euro Einkauf. Das ist eine Nettorendite, von der viele Küchenchefs träumen.
Für Gastronomen ist der Wein ein betriebswirtschaftlicher Hebel, um trotz steigender Kosten profitabel zu bleiben. Eine gut kuratierte, klar kalkulierte und verständlich präsentierte Weinkarte ist ein Renditetreiber und Differenzierungsmerkmal zugleich.
Chancen für Gastronomen: Weinkarte neu denken
Wer auf eine modern gestaltete Weinkarte setzt, profitiert wirtschaftlich und stärkt das Gästeerlebnis. Regionale Weine mit Herkunftsbezug, vegane oder biodynamische Angebote und alkoholfreie Alternativen wie „Verjus“ oder Traubensecco gewinnen an Bedeutung. Sommeliers sind nicht zwingend nötig. Wichtig ist eine verständliche Sprache, nachvollziehbare Empfehlungen und kreative Pairings mit der Speisekarte.
Auch bei der Preisgestaltung sind neue Wege gefragt. Statt hoher Preise pro Flasche könnten Gastronomen auf kleine Portionsgrößen, z.?B. 0,1-Liter-Ausschank, setzen. Das senkt die Hemmschwelle und fördert das Probieren. Events wie Winzerabende, offene Verkostungen oder Wineflights schaffen neue Anreize. Besonders bei jüngeren Zielgruppen, die Spaß an Entdeckung und Erlebnis haben.
Wein bleibt ein Wirtschaftsfaktor mit Potenzial
Trotz sinkender Konsumzahlen bleibt der Wein ein zentrales Element der deutschen Gastronomie. Seine kulturelle Bedeutung ist ungebrochen – ebenso wie seine wirtschaftliche Relevanz. Wer den Wandel erkennt, neue Konzepte umsetzt und den Wein strategisch in sein Betriebsmodell einbettet, wirtschaftet auch in herausfordernden Zeiten erfolgreich. Die Verbindung von Genuss, Regionalität und betriebswirtschaftlichem Know-how macht Wein zum Erlebnis für Gäste und zur echten Gewinnchance für die Gastgeber.